Von Radfahrzeugen

"Hallo Herr E., ich bins noch einmal. Haben Sie jetzt Zeit für mich?" fragte mich die sympathische Stimme der Anruferin, nachdem sie ihre geschäftliche Begrüßungsformel im ICE-Tempo heruntergespult hatte. Ihr erster Anruf heute erreichte mich kurz nach der Mittagszeit und kurz vor einem Termin. Sie wolle einmal nachfragen, wie weit meine Überlegungen gediehen seien oder ob ich auf das ihr gegenüber erwähnte Angebot eingegangen wäre, welches mir in der vergangenen Woche so zugesagt hätte. Letzteres hatte ich nicht getan. Doch gewiss hätte ich es getan, hätte mir das Fahrzeug an dem einzigen mir möglichen Tag der vergangenen Woche für eine Probefahrt zur Verfügung gestanden. Dafür wäre ich sogar bis Gladbach gefahren. Doch die Terminabsprache kam nicht zustande, der Verkäufer schien den verabredeten Rückruf nicht nötig zu haben, und somit war auch die lokale Vertretung der Marke AutoScandinavia weiter im Rennen. Und das in Form einer sehr sympathischen Person, die aus der Kürze meiner Angebundenheit umgehend den richtigen Schluß zog und mir vorschlug, sich am späten Nachmittag noch einmal zu melden. Gerne.
"Ich will so ein Spaßauto." antwortete ich ihr jetzt. "Und ich möchte es mir nicht zu Weihnachten schenken." Sie stimmte mir zu. "Kann ich voll verstehen, gerade jetzt, bei dem schönen Wetter." Meine Bemerkung, der lang herbeigesehnte und endlich eingetroffene Sonnenschein sei mir Anlaß gewesen, in dieser Woche auf mein Zweirad umzusteigen, brachte sie wider Erwarten nicht aus der Fassung. Stattdessen hielt sie mich von diesem Augenblick an für einen sportlichen Menschen - der ich ja auch bin. Daran ändert auch nichts, daß mir nicht wirklich eine andere Alternative zu meinen zwei Rädern blieb, denn meinen alten Wagen hatte ich ja in einer Spontanaktion am Gleis 12 dieses neuen gläsernen Hauptbahnhofs quasi zwischen den Zügen verkauft. Irgendwann werd ich ihr erklären, warum ich ihn doch nicht in Zahlung gebe ..
Von dem Neuwagen meiner Idealvorstellung hatte ich mich jedenfalls gedanklich vorerst verabschiedet, eine Lieferung mitten Winter machte nun wirklich keinen Sinn. Also zieht jetzt die nächste Priorität, schnell verfügbar und hinreichend nah an meinen Wunschvorstellungen. Sie hätte nun drei entsprechende Angebote für mich, hakte sie nach, beide ständen in München. Wunderbar, freute ich mich und fragte nach Details. Der erste Kandidat schied frühzeitig aus, nachdem das Wort Automatik fiel. Nummer Zwei erwies sich als silbrig. Sterlingsilbrig. In meinen Augen war das Braun und deshalb dieser Kandidat ebenfalls out. Das dritte Angebot hörte sich sehr vielversprechend an. Ja, wirklich, das sagte mir fast hundertprozentig zu. Fast. Bis auf den Preis. "Dafür bekommen sie auch einen Satz Winterreifen obendrauf." Wie schön. Nur glaubte ich nicht recht, daß ich mit diesem Fahrzeugtyp bei Eis und Schnee umherfahren mögen werde und ich wagte einen vorsichtigen Einwand hinsichtlich winterlicher Temperaturen im Kopfraum des Gefährtes. Meine Gesprächspartnerin am anderen Ende der mobilen Leitung wäre eine schlechte Verkäuferin, wenn sie meine Bedenken nicht im Handumdrehen zerstreut hätte, und schlußendlich verabredeten wir uns zu einer Inaugenscheinnahme.
Jetzt hält sie dich gewiss endgültig für unmöglich, dachte ich so bei mir, während ich den Hörer auflegte. Und daß ich mich eigentlich überhaupt nicht schnell entscheiden möchte.
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